Nutzung von Schießscharten im Mittelalter

 

 

 

Praktischer Versuch der Nutzung von mittelalterlichen Schießscharten mit Bogen und Armbrust

 

 

Das bislang aufwändigste BINSY Projekt zur experimentellen Archäologie war die Untersuchung zur Nutzbarkeit und Effizienz von frühen mittelalterlichen Schießscharten an Burgen und Stadtmauern im deutschen Sprachraum mit Bogen und Armbrust. Dazu wurden in den Jahren 2008 bis 2011 auf den Burgen Spesburg, Birkenfels, Ortenburg, Hoh-Andlau, Wangenburg, Landsberg (alle Elsass / F) sowie Neuleiningen und Gräfenstein (alle Pfälzer Wald / D) sowie Schönburg (Mittelrhein) an etwa 50 Schießscharten praktische Versuche zur Nutzbarkeit mit Armbrust oder Bogen unternommen. Außerdem wurden die Scharten datenbanktechnisch auf genommen, fotografiert und vermessen. In entsprechende Grundrisse wurden Schieß- und Sichtwinkel eingetragen und es wurde praktisch auf eine Zielscheibe geschossen (da wo möglich). Zumindest wurde aus allen Scharten anvisiert und die bequeme und effiziente Handhabbarkeit der jeweiligen Waffe in oder auch vor der Schießkammer ausprobiert.

 

Nachfolgende Fragestellungen standen im Blickpunkt der praktischen Untersuchungen:

  • Welche baulichen Rahmenbedingungen – also Schartenformen - bedingen die militärische Effizienz der Schartenanlagen
  • Wie groß waren die Sichtwinkel bzw. die Schusssektoren, die real bestrichen werden konnten?
  • Gab es spezielle Schartenformen für spezielle Waffen (Bogen oder Armbrust)?
  • Waren die Scharten erkennbar planvoll angelegt?
  • War man als Schütze in der Scharte vor Beschuss von außen sicher?

 

Die Testergebisse wurden analysiert und ausgewertet und dann in verschiedenen Aufsätzen beschrieben und publiziert. Die Datenbank für Schießscharten wurde in den folgenden Jahren massiv erweitert. Inzwischen befinden sich über 800 Scharten bzw. Anlagen in der BINSY Datenbank ==>

 

In folgenden Fachzeitschriften bzw. Büchern wurden die Ergebnisse publiziert und sind dort komplett nachzulesen:

 

 

 

 

 

 

Reihe oben:

Links: Zeitschrift ARX 2-2010 - Artikel "Nutzbarkeit von Schießscharten in hochmittelalterlichen Burgen", zu beziehen bei www.burgeninstitut.com

 

Mitte: Jahrblatt der Interessengemeinschaft Historische Armbrust, zu beziehen im Buchhandel oder in Internetbuchshops.

 

Rechts: Zeitschrift "Burgen und Schlösser 1-2011", Artikel "Über den militärischen Nutzen von frühen Schießscharten im deutschen Burgenbau", zu beziehen bei www.deutsche-burgen.org

 

Reihe unten:

Links: Ein Nachtrag zu den Schießversuchen auf Burg Neuleiningen findet sich auch in der Zeitschrift "Burgen und Schlösser 3-2011",  zu beziehen bei www.deutsche-burgen.org

 

Mitte: Die aktuellste Zusammenfassung aller Ergebnisse findet man in der Festschrift zum 50. Jubiläum des Südtiroler Burgeninstituts, ISBN 978-3-7030-0838-2, Universitätsverlag Wagner Innsbruck, zu beziehen bei www.burgeninstitut.com

 

 

Einige der Publikationen sind auch hier bei BINSY direkt als PDF File Download erhältlich:

 

R. Bernges (mit einem Vorwort von Joachim Zeune), Über den militärischen Nutzen von frühen Schießscharten im deutschen Burgenbau, in DBV, Burgen und Schlösser, 1-2011

 

und

 

R. Bernges, Nutzbarkeit von Schießscharten in hochmittelalterlichen Burgen - unter besonderer Berücksichtigung der Armbrust - Ergebnisse einer praktischen Studie, in SBI, ARX 2-2010

 

 

Hier noch ein paar einzelne Aspekte der Versuche:

 

 

 

 

In den großen, geräumigen Schießkammern der Spesburg kann der Schütze sich bequem - mit Bogen und mit Armbrust - bewegen, anvisieren und schießen. Dabei ist ein großer Sicht- und Schießwinkel zu erzielen. Ähnliches trifft auch auf die Elsäßer Burgen Ortenberg und Landsberg, teilweise auch auf  Hoh-Andlau zu. Die Schießkammern der Burg Birkenfels hingegen sind etwas niedrig und daher weniger effizient nutzbar - zumindest mit dem Bogen. Generell gilt: je näher man an die Schießöffnung herantreten kann, umso effektiver ist die Nutzung.

 

 

 

 

In den engen Schiessnischen der Burgen Neu-Leiningen (Foto links) und auch Gräfenstein ist an ein nahes Herantreten an den Schlitz / an die Öffnung nicht zu denken. Hier ist eine Nutzung nur dergestalt möglich, dass sich der Schütze  v o r  der Mauer und der Scharte aufstellt und durch die gesamte Mauerstärke hindurch schießt. Dabei ist die Sicht natürlich minimal, die Schießwinkel entsprechend eng und die Scharte insgesamt wenig effizient nutzbar.

 

 

 

 

Hier ist die Sicht des Schützen in den jeweils unterschiedlichen Räumen gut zu erkennen: links der Blick aus der geräumigen Kammer der Spesburg, rechts der eingeschränkte Blick aus einer der engen Nischen der Burg Neuleiningen.

 

 

 

 

Besonders interessant war der Versuch auf der Wangenburg hinsichtlich der Effizienz von Kreuzscharten für die Nutzung mit Armbrusten. Die praktischen Versuche machten deutlich, dass die Querschlitze der Schlitzscharten keineswegs dazu geeignet sind, die Armbrust besser zu unterstützen. Weder konnten die Schusssektoren wegen der Länge des Armbrustbogens (72cm oder auch mehr, entgegen der Schlitzbreite von 64 cm) nach links und rechts erweitert werden, noch war wegen der Höhe, in der der Querschlitz angebracht wurde, ein Schuss durch den Querschlitz nach unten zu dem gefährdeten Bereich am Fuße des Berg­frieds möglich. Wenn der Kreuzschlitz also nicht dem effizienteren Nutzen der Scharte mit der Armbrust diente, dann bleibt als Funktion lediglich die deutlich bessere Sicht auf das Angriffsfeld, die ja ansonsten bei Schlitzscharten eher eingeschränkt war. Nicht zuletzt sollte man bei der bekannten Symbolträchtigkeit des Mittelalters auch nicht die Außenwirkung der als „Kreuz“ erscheinenden Schießscharte unterbewerten. Wer schoss schon gerne auf ein Kreuz?

 

 

 

 

 
 

 

(c) Rüdiger Bernges, BINSY 03/2014
 

 
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